GENETIK - "VERERBUNG - ZUFALL MIT SYSTEM" - TEIL 10
DAS TABBY GEN (ALLELE: Tª, T, tb)
Obwohl Tabby als Oberbegriff für alle getigerten, gestromten und getupften Katzen so schön englisch klingt, ist es doch kein angelsächsischer Fachterminus.
Das Wort „Tabby" gibt es für sich allein im Englischen gar nicht. Nur der Wortverbindung „tabbycat" wird die Übersetzung „getigerte Katze" zugesprochen.
Die Tiger-Streifung ist die ursprüngliche Form der Katzenfärbung, ein echter Wildtyp, denn sie stammt von den wildlebenden Vorfahren der Hauskatze. Die Tabby-Zeichnung dient dazu, die Umrisse des Tieres aufzulösen und es sozusagen mit dem Hintergrund verschmelzen zu lassen.
Aber wir wollten ja die Herkunft des Wortes tabby ergründen: In Bagdad, der Hauptstadt des Irak, gab es ein Stadtviertel mit dem Namen Al'stambiya. Dort wurden hauptsächlich Seidenstoffe in den Farben und Mustern von Katzenfellen hergestellt. Aus den Mustern von Al'stambiya wurde der Begriff Tabby-Zeichnung für die getigerten, gestromten und getupften Katzen abgeleitet.
Wie wir gleich noch sehen werden, bewirkt jedes Allel des Tabby-Gens die Ausprägung irgendeiner Form von Tabby-Zeichnung. Es gibt kein Non-Tabby-Allel. Da es auch kein Gen ohne Allel gibt, muß jede Katze genetisch eine Tabby-Katze sein.
Woher kommen dann die einfarbigen Katzen bzw. Tiere ohne Tabby-Zeichnung?
Das wissen wir auch schon.
Sie erinnern sich: Nur bei Agouti-Tieren (A/A oder A/a) ist eine Zeichnung vorhanden, bei Non-Agouti-Tie-ren dagegen wird durch die Allelenkombination (a/a) des Agouti-Gens die Wirkung des Tabby-Gens unterdrückt. Man nennt die Konstellation, bei der eine bestimmte Allelenkombination eines Gens die Wirkung eines ganz anderen Gens beeinflußt, eine Epistasie-Hypostasie-Beziehung.
Anders ausgedrückt: Das epistatische Gen (hier Agouti-Gen) verändert durch eine bestimmte Allelenkombination (hier a/a) die Merkmalsausprägung des hypostatischen Gens (hier Tabby-Gen). Andere Allelenkombinationen des epistatischen Gens (zum Beispiel A/A oder A/a) sind dagegen wirkungslos. Bitte verwechseln Sie Epistasie-Hypostasie nicht mit Dominanz oder Rezessivität, denn dort beeinflussen sich lediglich die Allele ein und desselben Gens untereinander.
Das Tabby-Gen ist also eines der Farbgene von wirklich zentraler Bedeutung und für das Überleben der wildlebenden Katzen und deren Vorfahren ausschlaggebend. Die Wichtigkeit drückt sich darin aus, daß jede Katze genetisch eine Tabby-Katze ist.
Alle Mutationen des Tabby-Gens, die die natürliche Auslese überdauert haben, führen wieder zu Tabby-Katzen, es gibt keine Non-Tabby-Form. Erst durch eine Veränderung der Auslesebedingungen (Domestizierung, Zucht) konnte sich die Mutation eines anderen Gens, dessen neues Allel durch Epistasie auf das Tabby-Gen
Einfluß nimmt, durchsetzen. Das Tabby-Gen mit seiner etablierten Allelenausstattung ist weiterhin selbst unter den veränderten Auslesebedingungen stabil geblieben.
Aber nun genug der langen Vorrede, kommen wir zu den drei Allelen des Tabby-Gens.
ALLEL T = MACKEREL-TABBY
Dieses Allele repräsentiert den Wildtyp, ist aber nicht zugleich dominant.
Überhaupt sind die Beziehungen der Allele des Tabby-Prinzips zu beschreiben, es gibt da sehr viel feinere Nuancen. Aber dazu später mehr. Der Begriff „Mackerel" leitet sich von der Makrele ab, denn die Mackerel-Zeichnung soll entfernt an die Rückenzeichnung des bekannten Speisefisches erinnern. Wenn ich nun die Mackerel-Zeichnung und deren Zustandekommen beschreibe, dann gilt vieles für die Tabbys allgemein, da es sich ja um den Wildtyp handelt.
Für die anderen Tabby-Varianten bleiben dann nur die kurzen Darstellungen der Abweichungen vom Mackerel-Typ.
Die Tabby-Zeichnung ist eine sehr komplexe Färbung, bei der die Agouti-Grund-farbe von dunklen Bereichen (Streifen) teilweise bedeckt wird.
Die Grundfarbe wird vom Agouti-Allel beherrscht, die Haare sind in der bekannten Weise gebändert:
heller Haargrund, dunkles Band, gelbes Agouti-Band, dunkle Spitze. Bei den Haaren der Zeichnung entfällt diese Bänderung, sie sind bis auf den etwas helleren Haargrund kräftig durchgefärbt. Die „dunklen" Bänder und die Farbe der Zeichnung entspricht dabei immer der genetischen Farbe des Tieres, das Gelb des Agouti-Bandes bleibt innerhalb einer gewissen Variationsbreite von der genetischen Farbe unberührt.
Lediglich die Verdünnungsfaktoren hellen auch das Agouti-Band auf. Die natürliche und eher unscheinbare grau-gelbe Tarnfarbe der Agouti-Bereiche hat sich durch Selektion zu einem warmen Braunton gewandelt. Nun zu den allgemeinen Merkmalen der Tabbys und zu der Mackerel-Zeichnung speziell.
Die nachfolgend zu beschreibenden Attribute können und sollen bei einer guten Tabby-Katze zu finden sein, müssen es aber nicht. Wenn also bei Ihrer Katze eines oder mehrere Kennzeichen fehlen, dann ist und bleibt es trotzdem eine Tabby-Katze und damit eine Agouti-Katze. mit Ausnahme der „Roten" allerdings, die ja immer Tabbys sind, egal ob Agouti oder Non-Agouti.
KENNZEICHEN DER TABBYS
» Der Nasenspiegel ist rot oder rosa und in der Farbe des Fells (= genetische Farbe) umrandet.
» Die Fußballen und Sohlenstreifen in der genetischen Farbe.
» Das Kinn ist deutlich heller gefärbt als der übrige Körper, manchmal sogar fast weiß
In der genetischen Farbe:
» klar gezeichnetes M auf der Stirn
» deutliche und ununterbrochene Umrandung der Augen
» von den äußeren Augenwinkeln durchgehende Linien zum Hinterkopf- dünnere Linien
auf den Wangen
» eine, besser mehrere, nicht unterbrochene Halsketten
» Ringe an den Beinen und am Schwanz
» doppelte „Knopf-Reihe" an Brust und Bauch
» mehrere dünne Streifen auf dem Hinterkopf, die in Höhe der Schulter in den „Aalstrich" münden, einer durchgehenden Linie entlang der Wirbelsäule zur Schwanzwurzel. Der Aalstrich wird eventuell auf beiden selten von je einem Parallelband begleitet.
Die Mackerel- oder Tigerzeichnung speziell besteht aus schmalen, ununterbrochenen vertikalen Streifen, die vom Aalstrich oder den Parallelstreifen ausgehen und über die Flanken hinausreichen.
Als genetische Farben der Tabby-Zeichnung kommen alle bisher besprochenen Farben vor.
Weil der Kontrast zwischen der Zeichnung und der Agouti-Grundfarbe möglichst deutlich sein soll, werden die besonders aufgehellten Farben wie Caramel, Taupe oder Fawn in der Tabby-Zucht meist ausgelassen.
Des hohen Kontrastes wegen sind black-mackerel-tabby, chocolate-mackerel-tabby und cinnamon-mackerel-tabby besonders eindrucksvoll.
Sie vermissen vielleicht das klassische brown- oder Brown-tabby. Aber die Bezeichnung brown-tabby ist schlicht und einfach falsch.
Bei Tabby-Katzen bezieht sich die Farbe immer auf die Zeichnung. Brown-Tabbys sind eigentlich genetisch schwarz, denn die Zeichnung ist schwarz. Bei dem leider immer noch verwendeten brown-tabby dagegen bezieht sich die Farbbezeichnung auf den warmen Braunton der Agouti-Bereiche, also der Grundfarbe.
Sie sollten diese falsche Farbangabe daher möglichst schnell vergessen.
Auch bei den verdünnten Farben blue-mackerel-tabby und lilac-mackerel-tabby ist der Kontrast auch genügend hoch, da durch die Verdünnung auch die Grundfarbe der Agouti-Bereiche aufgehellt wird.
Besonders eindrucksvoll sind die silbernen Varianten der Tabbys.
Das Inhibitor-Allel (I) behindert die Melanineinlagerung in den insgesamt weniger pigmentierten Agouti-Bereichen deutlicher als in den kräftiger gefärbten Haaren der Zeichnung. Daher ist der Kontrast bei den „Silbernen" im allgemeinen höher als bei den entsprechenden „Nicht-Silber"-Farbschlägen. Gezüchtet werden hauptsächlich die Farben (black)silver-mackerel-tabby, bluesilver-mackerel-tabby, chocolatesilver-mackerel-tabby und lilacsilver-mackerel-tabby.
ALLEL = BLOTCHED- ODER CLASSIC-TABBY
Blotched-Tabby war früher auf Ausstellungen die Tabby-Katze schlechthin, sie ist sozusagen die „klassische" Variante der Tabbys, daher classic-tabby oder häufig auch nur tabby allein.
Andere Namen sind „gestromte Katzen" oder „Marmorkatzen".
Das englische blotch bedeutet Fleck oder Klecks und beschreibt damit den wichtigsten Unterschied des Mackerel-Tabbys:
Auf den Flanken befindet sich je ein großer Fleck, der von einem oder mehreren kräftigen Ringen eingekreist ist (Räderzeichnung), und die vom Hinterkopf ausgehenden Linien münden nicht in den Aalstrich, sondern gehen in ein Schmetterlingsmuster auf beiden Schultern über, das idealerweise ebenfalls einen zentralen Fleck aufweist.
Bei den Blotched-Tabbys ist die Zeichnung im Gesicht nicht so fein wie bei den Mackerel-Tabbys, und die Ringe an den Beinen und am Schwanz sind breiter. Dazu kommt noch, daß Blotched-Katzen im allgemeinen stärker pigmentiert sind und der Kontrast zwischen den Agouti-Bereichen und der Zeichnung höher ist. Sie hinterlassen insgesamt einen kräftigen kontrastreichen Farbeindruck und sind auch heute noch die klassischen Tabby-Ausstellungskatzen. Die Farben entsprechen denen bei den Mackerel-Tabbys und brauchen nicht extra aufgeführt werden.
Das Allel tb ist eine Mutation des T-Allels und gegenüber T rezessiv. Für blotched- oder classic-tabby gibt es daher nur einen Genotyp (tb/tb), während für mackerel-tabby zwei Genotypen in Frage kommen (I/T und Z/Tb).
ALLEL Tª>= ABESSINIER-TABBY
Auch die Abessinier (engl.: Abyssinian), deren langhaariges Pendent, die Somali und die Singapure, eine Kombination von
Burma- und Abessinier-Allelen (cbcb,. TªTª), sind Tabby-Katzen.
Man erkennt es daran, daß das Gesicht, manchmal auch noch Beine und Schwanz gezeichnet sind, die Streifen sind dann jedoch feiner als bei Mackerel-Tabby. Die Körperfarbe ist die der Agouti-Bereiche bei den gezeichneten Katzen, das gelbe Agouti-Band tritt jedoch gegenüber der genetischen Farbe in den Hintergrund, ist aber in jedem Fall erhalten. Man beschreibt das auch so: Der ganze Körper ist agouti-geticked.
Ta ist die zweite bekannte Mutation des T-Allels. Das Ta-Allel ist semidominant (halbdominant) über T und tb.
Semidominant bedeutet, daß bei Heterozygoten der Phänotyp zwar eher dem dominanten Allel entspricht, die Wirkung des rezessiven Allels jedoch deutlich erkennbar bleibt. Daher zeigen heterozygote Absessinier (Ta/T und TaTb) immer deutliche Streifen an den Beinen und Ringe am Schwanz. Das züchterische Ideal der Zeichnungsfreiheit kann nur durch konsequente Linienzucht mit homozygoten Tieren (Ta/Ta) erreicht werden.
GEISTERZEICHNUNG IST ETWAS VÖLLIG NATÜRLICHES
Bevor wir zu den einzelnen Abessinier-Farben übergehen, ist ein kleiner Einschub über züchterische Ideale und Rassestandarde angebracht.
Wie eingangs beschrieben ist das helle Kinn eines der für das Agouti-Allel geradezu typischen Merkmale.
Trotzdem ist es unerwünscht, und das trotzige Beharren der Richter und Rassestandardschreiber auf ein derartiges, der genetischen Natur widersprechende Zuchtziel treibt die Züchter dazu, immer neue Methoden zu „Erfinden", um die Natur zu „verbessern".
Vielleicht sollte man sich eher darauf konzentrieren, das bestehende zu erhalten und nicht darauf, intolerant genetische Unmöglichkeiten durch häufig widernatürliche Tricks möglich zu machen. Dasselbe gilt für die „Zeichnungsfreiheit", nicht nur bei Abessiniern, sondern auch bei anderen Rassen.
Aber bleiben wir zunächst bei den Abessiniern. Es sind Agouti-Katzen. Entsprechend den genetischen Gegebenheiten sind alle Agouti-Katzen gleichzeitig auch Tabby-. Katzen, und Tabbys sind nun mal getigert, gestromt oder getupft. Das Ta-Allel ist eine Mutation und eine Mutation überdeckt oder verdrängt den Wildtyp selten vollständig. Die Tatsache, daß Ta nur semidominant über die beiden anderen Tabby-Allele ist, verdeutlicht noch die Unvollkommenheit der Mutation.
Warum dürfen denn noch nicht einmal Jungtiere als Geisterzeichnung und noch weniger Erwachsene als rudimentäre Zeichnung ihre wahre genetische Natur zeigen? Apropos „Geisterzeichnung":
Auch die einfarbigen Katzen sind genetisch Tabbys., wie doch wohl jetzt hinreichend klar geworden ist, und jede Tabby-Zeichnung, vielleicht die ursprünglichste Zeichnung überhaupt. Die Ausprägung kann lediglich durch Epistasie der Non-Agouti-Allelenkombination (a/a) verhindert werden.
Man kann sich an den fünf Fingern abzählen, daß solche Epistasie-Hypostasie-Beziehungen nicht schlagartig einfach da sind, sondern sich während der Entwicklung einer befruchteten Eizelle zum erwachsenen Tier erst langsam aufbauen.
Warum werden diese allgemein bekannten Tatsachen ignoriert und „Geisterzeichnung" bei Jungtieren immer noch als ein Fehler (wohl der Natur!) apostrophiert?
Das führt doch nur dazu, daß sich Züchter ins Bockshorn jagen lassen und durch hanebüchene Kreuzungen und Bastardisierungen versuchen, die bemängelte natürliche „Geisterzeichnung" zu entfernen, um der Natur damit zu zeigen, was Sache ist.
Ich kann nur an Sie als Züchter appellieren: lassen Sie sich nicht durch vernichtende Urteile oder Vorurteile verunsichern, versuchen Sie in Ihrem Zuchtprogramm so nah wie möglich an den von der Natur vorgegebenen genetischen Grundtypen zu bleiben. An Richter und vor allem an die, die Rassestandards entwickeln, richte ich die Bitte, ihre Idealvorstellungen von einer bestimmten Rasse oder einem bestimmten Farbschlag auf den zugrunde liegenden Genotyp hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
DIE FARBCODES DER ABESSINIER
Aber nun von den zugegebenermaßen etwas hart formulierten kritischen Anmerkungen zurück zu den Abessinier-Farben.
Der wildfarbene Abessinier ist eigentlich genetisch schwarz und stellt damit den ursprünglichen Phänotyp dar. Dann kommen die schon bekannten Farben blauer Abessinier, chocolate Abessinier und Lilac (lavender) Abessinier. Außerdem sind alle schon besprochenen Silber-Varianten bei den Abessiniern möglich: (black)silver Abessinier, bluesilver Abessinier und lilac-silver Abessinier.
Das Wort Abessinier ist bei der Langhaar-Version natürlich durch Somali zu ersetzen. Singapura bedeutet dementsprechend nichts anderes als burmafarbene Abessinier. Dadurch werden solche Wortungetüme wie „wildfarbene, Abessinier-tabby Somali" vermieden. Sie brauchen sich nur zu merken, daß Abessinier, Somali und Singapura genetisch immer Abessinier-Tabby-Katzen (Tª/Tª) sind.
Aber es fehlen ja zumindest bei den Abessiniern und Somalis noch einige Farben.
Der „rote" Abessinier ist eigentlich genetisch gar nicht rot, sondern cinnamon (b'b', C/-, D/-). Daher ist die Bezeichnung Sorrel-Abessinier aber dazu geeignet, diesen Farbschlag von den „echten" roten Abessiniern zu unterscheiden. Das gleiche gilt für den „creme" Abessinier, der eigentlich fawn (b'/b', D/-, d/d) ist. Durch den treffenderen Ausdruck beigefarbener Abessinier wird eindeutig vom „echten" creme-Abessinier unterscheiden.
Was jetzt noch bleibt, sind die getupften Katzen, die ja bekanntlich auch in die Tabby-Serie gehören. Aber auch dazu müßte ich wieder etwas weiter ausholen, denn die Entstehung der Tupfen ist aus genetischer Sicht nicht so einfach zu erklären. Also heben wir uns das für das nächste Mal auf.
Dann ist auch eine neue Tabelle fällig.
Wir werden aber dann für die Agoutis und die Non-Agoutis je eine eigene Tabelle entwickeln, sonst wird die ganze Sache doch zu unübersichtlich.
Diese Serie wurde in 18 Teilen sehr verständlich und detailliert im Jahr
1993 von Roland Fahlisch (Diplom Biologe) geschrieben
und in der Zeitschrift Katzen Extra veröffentlicht.
Wir danken Monika und Roland Fahlisch herzlich
für Ihre schriftliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser tollen Serie.
(Wir bitten um Beachtung des Copyright - © Roland Fahlisch)